Das Welterbe
"Quedlinburg"

Was begründet den Titel "UNESCO - Welterbe" für die Stadt Quedlinburg?
Vordergründig, für jeden sichtbar, ist Quedlinburg eines der größten Flächenbaudenk-
male in Deutschland.
Aber bei näherer Betrachtung der Geschichte des Gebietes um den Schlossberg herum, tritt die einst herraus ragende Bedutung für Deutschland und ganz Europa zu Tage. Aus der dann erst die historische Alt- und Neustadt entstehen konnten.
Zugegeben, es ist sehr schwierig sich den heutigen Schloosberg in seiner tasächlichen Form vorzustellen. Es war ein strukturierter Sandsteinfelsen mit zwei Plateaus in unterschiedlicher Höhe. Auf dem westlichen, höheren Teil, hatte schon König Heinrich I. (Bild) seine Pfalz errichet. nach seinem Tod gründete sein Sohn, Otto I., auf dem unteren Plateau das Freiweltliche Damenstift.
Hinter der Grünanlage am Ostgiebel des Nordflügels legen die Mauerreste der Absis der ehemaligen Pfalskirche. Weitere Mauerreste verbergen sich hinter dem Putz der Giebelwand und an der Südseite bis zum Treppenturm. Der Ursprung der heutigen Stadt lag etwa zwischen Schlossberg - Münzenberg - Alte Topf Straße. Hier wird auch der zur Pfalz gehörige Königshof vermutet. Durch die vollständige Bebauung ist eine archeologische Unter-
suchung sehr schwierig und nur bei Baumaßnahmen punktuell möglich.

Schloss und Stiftskirche 2010
Die Tatsache, das hier ein regelmäßiger Treffpunkt der europäischen Herrscher war, führte natürlich zur Erweiterung des Siedlungsgebietes unter der Burg. Das heißt, es kamen Handwerker und Händler die sich hier ansiedelten. "Kaiser Otto III." erteilte dem Flecken Quedlinburg 994 das Markt-, Münz- und Zollrecht. Aus dem Flecken wurde nach und nach das Gebiet der heutige Altstadt.
Die "Ottonen" hatten dann keine männlichen Nachkommen mehr und so ging die erbliche Königswürde an die
"Salier" über. Sie errichteten ihre Pfalz in ihrer Besitzung "Goslar". Das Stift blieb in Quedlinburg bestehen und auch die Stadt entwickelte sich weiter. Zeugen der Bebauung aus dieser Zeit sind zum Teil in den Fundamenten heute sichtbarer Bauten erhalten.
Eines der ältesten Häuser ist der "Ständerbau" aus den Anfang des 14. Jahrhunderts. Die Bauhöhe richtete sich nach der Länge der verfüg-
baren Balken (senkrecht). Für die Zwischendecke wurden die Ständer geschlitzt und die Deckenbalken außen mit Holzdübel gesichert.
Es kann doch nur an der Steuer für die bebaute Fläche gelegen haben, dass die Bürger damals ihre Häuser über dem Paterre erweitert haben. Das linke Bild zeigt die Bauweise deutlich.
Das rechte Bild erfordert viel Fantasie. Die Häuser links und rechts stehen auf einer Brücke. Die Gasse heißt deshalb auch "Steinbrücke". Es muss früher eine sehr feuchte Gegende gewesensein, weshalb man für die Zufahrt zum Markt eine steinerne, mehrbogige Brücke baute. Heute fließen vor und hinter der "Steinbrücke" noch zwei Gräben.
Vom Markt kommend, werfen Sie doch mal einen Blick über das Brückengeländer. Die Rückseite der Häuser hat eine Tür. Die Gräben durch die Stadt waren auch aus den Häusern heraus zu-
gänglich. Die Gräben dienten nicht nur der Zuführung von Wasser zu den Mühlen, sondern hier wurden auch Fische zum Verzehr gefangen.
Interessante Details, bei der Fülle von Eindrücken in der Fachwerk-
stadt, sind nicht immer offen-
sichtlich. Auch wenn sie in Mitten der Altstadt liegen. Wie schnell geht man achtlos an diesem kleinen Durchgang (linkes Bild) vorüber - genau gegenüber dem Rathaus. Es ist der Eingang zum "Schuhhof". Hier waren also Schuhmacher ansässig. Aus ihrer kleinen Werkstatt heraus verkauften sie gleich ihre Waren. Der Fensterladen wurde tagsüber herunter geklappt und diente als Auslage und Ladentisch (rechtes Bild).
Hinter diesem Tor verbirgt sich ein Adelshof. Die Anfänge liegen im 12. Jahrhundert. Es steckt noch viel Restaurierungsarbeit drin. Er wird aber schon bei Stadtführungen gezeigt und erklärt. Teilweise werden Räume auch schon genutzt.
Die Altstadt war mit einer Stadtmauer umgeben. Sie ist zum teil erhalten. Ebenso einige der dazu gehörigen Türme. Aber es kam die Zeit, da wurde es in der Stadt zu eng. Immer neue Handwerker, Händler und Ackerbürger wollten hier wohnen. Das war aber nur noch vor den Toren möglich - der "Neustadt".
Dieses repräsentative Gebäude, "Hagensches Freihaus", steht an der Grenze der Altstadt - Ecke Bockstraße/Klink.
Der Mittelpunkt der "Neustadt" ist weithin sichtbar - die Kirche "Sankt Nikolai". Der "Neustädter Kirchhof" mit "Sankt Nikolai", den alten Bäumen und Häusern ist ein Ruhepol in einer Stadt, die täglich von tausenden Gästen besucht wird.
Die lange, etwas geschwungen Straße, die von der "Altstadt", durch die "Neustadt" bis fast hinaus zur Bode führt, heißt "Steinweg". In damaliger Zeit eine bedeutende Handels-
straße, die schon befestigt war.
Waren wurden sehr heufig über den Wohnungen gelagert. Dazu war unter dem Dach ein Balken mit einer Seil-
rollen angebracht und je nach Anzahl der Speicheretagen in der Straßen-
front der Häuser Ladeluken einge-
baut. Wie im linken Bild ersichtlich. Das rechte Bild zeigt die "Kornhan-
delsbörse". Der sechseckige Erker ist einmalig in Quedlinburg. Beide Häuser der "Neustadt" stehen im "Steinweg".
Es bedarf eines großen Einfalls-
reichtum um solche uralten Fach-
werkhäuser heutigen Wohnan-
sprüchen anzupassen, ohne die äußere denkmalgeschützte Hülle zu beschädigen.
In der Neustädter Stadtmauer gibt es außer einem "Gänsehirtenturm" auch einen "Tittenturm" (in Privat-
besitz).
Um es gleich zu betonen - er war in der damaligen Zeit kein Freudenhaus! In der Gegend "Kaiser-, Ball-, Mauerstraße" etwa, war noch nichts bebaut - es war Grünland und auf den "Tittenplan" wurden die Kühe mit ihren säugenden Kälber getrieben (Titten nieder-
deutsch gleich Zitzen).
Ich hoffe, das diese stichpunktartige Führung durch das "UNESCO-Welterbe" Sie zu einem längeren Aufenthalt animiert. Eine professionell Stadtführung ist lehrreich, aber individuelle Rundgänge und der neugierige Blick aus unterschiedlichen Perspektiven bringen doch manche Entdeckung - wie die letzten Bilder beweisen.
Zum "Tag des offenen Denkmals" sind auch manche privaten Häuser geöffnet.